Die siebzehn Kamele oder die Kunst, aus einer unlösbaren Aufgabe eine lösbare zu machen — und das Ende der Macht der Primzahl.
INHALTSVERZEICHNIS
- Das Rätsel
- Die Lösung
2.1. Ein erster Blick
2.2. Die Idee des Vaters
2.3. Die Herausforderung der Söhne
2.4. Die Veränderung der Aufgabe
2.5. Aus einer unlösbaren wird eine lösbare Aufgabe
2.6. „Umweglösungen“ auch für andere Probleme? - Exkurs 1: Die „wohltemperierte Stimmung“
3.1. Der Fehler des Pythagoras und seine Folgen
3.2. Die Lösung des Andreas Werckmeister
3.3. Der Welterfolg Johann Sebastian Bachs - Exkurs 2: Die entmachtete Primzahl
4.1. Die mittelbare Teilbarkeit der Primzahl
4.2. Der Mechanismus der Teilung
4.3. Versuch einer „quantistischen“ Betrachtung
4.4. „Geht mathematisch nicht“ versus „und es geht doch“
4.5. Was bleibt von der Macht der Primzahl?
4.6. Wie die 17 Kamele ihre Rettung in höchster Not erlebten…
1. Das Rätsel
Vor vielen Jahren habe ich ein Rätsel gelesen. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht. Mit der Lösung des Rätsels ergaben sich für mich interessante neue Erkenntnisse. Das Rätsel: Es ist lange her, da lebte im Orient ein reicher Mann. Er hatte siebzehn Kamele, sie waren sein ganzes Vermögen. Und er hatte drei Söhne. Als der Mann seine letzte Stunde nahen sah, bestimmte er: sein
erster Sohn bekommt die Hälfte, sein zweiter Sohn ein Drittel, sein dritter Sohn ein Neuntel seines Vermögens. Einzige Bedingung: kein Tier durfte bei der Erbteilung getötet werden. Dann starb der Vater.
Die Söhne machten sich an die Teilung des Erbes. Und sie sahen: es geht nicht — sie konnten die Bedingung des Vaters nicht erfüllen.
Als sie so miteinander stritten, kam des Weges auf seinem Kamel ein Derwisch. Die Söhne klagten ihm ihr Leid. Der kluge Derwisch überlegte einen Augenblick, dann sagte er: Ich werde euch helfen.
Er stellte sein Kamel neben die siebzehn Kamele des Vaters: es waren dann achtzehn. Dem ersten Sohn gab er nach dem Willen des Vaters die Hälfte, das waren neun Kamele, dem zweiten Sohn ein Drittel, das waren sechs Kamele, dem dritten Sohn ein Neuntel, das waren zwei Kamele.
9 + 6 + 2 macht 17 Kamele. Blieb 1 Kamel übrig: es war das Seine.
Der Derwisch nahm es und zog vergnügt seines Weges. Die Söhne waren glücklich.
Was ist geschehen?
2. Die Lösung
2.1. Ein erster Blick
Beim aufmerksamen Lesen der Geschichte fallen drei Dinge auf:
a) Eine Teilung der Erbschaft unter Einhaltung der Bedingung des Vaters („keines der Tiere darf getötet werden“) ist mathematisch unmöglich. Die 17 ist eine Primzahl: eine Zahl, die durch keine andere ganze Zahl (außer 1 und sich selbst) teilbar ist.
b) Hätte der Vater 18 statt 17 Kamele besessen, wäre die Einhaltung der Bedingung kein Problem gewesen: z.B. mit den Quoten 1/2 + 1/3 + 1/6 = 1
c) Der Vater hat mit den Erbanteilen für seine Söhne nicht sein ganzes Vermögen aufgeteilt: er hat 1/18 zurückbehalten. 1/2 + 1/3 + 1/9 = 9/18 + 6/18 + 2/18 = 17/18.
Warum hat er das getan?
2.2. Die Idee des Vaters
Es ist zweckmäßig, sich dem Problem aus der Sicht des Vaters zu nähern. Denn der Vater dürfte ein verständiger Mensch gewesen sein, der seinen Söhnen nicht eine Erbschaft hinterlassen wollte unter einer Bedingung, deren Erfüllung unmöglich war. Es lag ihm offensichtlich am Herzen, dass seine 17 Kamele unversehrt („ohne dass ein Tier getötet würde“) unter seinen Söhnen aufgeteilt würden.
Natürlich sah er auch, dass dieser Wunsch ohne weiteres erfüllbar gewesen wäre, wenn er – statt 17 – 18 Kamele sein Eigen genannt hätte.
Da hatte der Vater eine Idee. Ich leihe mir ein Kamel und stelle es zu meinen 17 Kamelen, dann habe ich 18 Kamele. Dann bestimme ich nicht 3, sondern 4 Quoten (für die 3 Söhne und den Verleiher).
1/2 + 1/3 + 1/9 + 1/18 = 9/18 + 6/18 + 2/18 + 1/18 = 1
Das sind 9 + 6 + 2 + 1 = 18 Kamele.
Nun verteile ich nur 17/18 der 18 Kamele an meine Söhne, das sind meine 17 Tiere. Der erste Sohn erhält von den 18 Kamelen die Hälfte, das sind 9 Kamele, der zweite Sohn ein Drittel, das sind 6 Kamele, der dritte Sohn ein Neuntel, das sind 2 Kamele. Macht zusammen meine 17 Kamele. Das letzte 1/18 behalte ich zurück: Es ist das geborgte Kamel, das ich zurückgebe.
Eine brillante Idee. Darum also hat der Vater 1/18 der Erbschaft zurückbehalten.
2.3. Die Herausforderung der Söhne
Warum hat der Vater diese Lösung seinen Söhnen nicht mit auf den Weg gegeben?
Oder von vornherein — statt Erbteile — die Tiere selbst real verteilt? Wir wissen es nicht. Vielleicht wollte er seine Söhne herausfordern: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“. Auf jeden Fall hat er mit dem zurückbehaltenen 1/18 des Vermögens den Söhnen ein Signal gegeben, das diese hätten verstehen können. Aber sie verstanden es nicht. Der kluge Derwisch dagegen verstand das Signal sofort und konnte so zu der Realisierung der Idee des Vaters schreiten: Er borgte der Herde das eigene Kamel, das er nach Vollzug der Erbteilung wieder an sich nehmen konnte.
Damit wäre der mathematische Teil des Rätsels gelöst. Das aber ist nur ein Vorspiel für das Graben nach tieferliegenden Erkenntnissen.
2.4. Die Veränderung der Aufgabe
Es bleibt nämlich die Frage: Wie kann es denn sein, dass eine ganzzahlige Teilung von 17 mathematisch unmöglich ist und dann auf einem Umweg doch möglich wird? Die Mathematik ist doch objektiv, unbestechlich und unmanipulierbar! Könnte es sein, dass die „blockierende Kraft“ der Primzahl durch die Veränderung der Aufgabe (statt 17 Tiere auf drei Parteien werden 18 auf vier Parteien verteilt) „gebrochen“ oder — sagen wir – wenigstens „umschifft“ wird? Indem das Problem auf eine andere Ebene, in einen anderen Zusammenhang gestellt wird? Denn durch das zurückbehaltene 1/18 werden ja tatsächlich 17 Tiere auf die drei Söhne verteilt und — was wichtig ist — die Söhne sind mit dem Ergebnis voll einverstanden, weil es sie von der Bedingung des Vaters befreit.
Da also die Idee des Vaters offensichtlich das Problem löst, würde ich in aller Vorsicht sagen, die Macht der Primzahl kann umgangen werden (siehe Exkurs 2).
Und die Veränderung der Aufgabe muss nicht einmal real vollzogen werden, wie es in unserer Geschichte geschieht. Es genügt „virtueller Vollzug“ als Gedankenexperiment.
2.5. Aus einer unlösbaren wird eine lösbare Aufgabe
Statt der scheinbar zu lösenden Aufgabe ist also eine andere Aufgabe gelöst worden. Mancher wird
sagen: „Gute Idee! Na und?“ Er würde allerdings die fundamentale Wirkung, die Tragweite dieser
Idee verkennen.
Und damit kommen wir zum Kern unserer Geschichte. Denn der Vater und der Derwisch haben ein
unlösbares Problem in ein lösbares Problem verwandelt und dieses auch — zur Zufriedenheit aller
Beteiligten — gelöst. Das ist eine hohe Kunst, ein Zeichen menschlicher Kreativität.
Es fragt sich, ob dieser Gedanke nicht immer dann auf den Tisch kommen sollte, wenn Menschen
harte Brocken zu stemmen haben, insbesondere an naturgesetzliche Grenzen stoßen.
Die Konstellation ist folgende:
a) Es soll ein Ziel erreicht werden, wozu eine bestimmte Aufgabe bewältigt werden muss.
b) Es zeigt sich, dass diese Aufgabe an unüberschreitbare Grenzen (Mathematik, Naturgesetze)
stößt. Die Lösung ist unmöglich.
c) Statt aufzugeben wird versucht, diese Aufgabe so zu verändern, dass die Grenzen überwunden
bzw. umgangen werden (in unserer Geschichte reichte hierfür ein zusätzliches Kamel).
d) Das Ergebnis der gelösten Aufgabe wird von allen Beteiligten als sachgerecht begrüßt.
2.6. „Umweglösungen“ auch für andere Probleme?
Es wäre interessant, gelöste und ungelöste Probleme aus der Vergangenheit und Gegenwart unter
diesem Blickwinkel zu betrachten. Vielleicht ist eine „Umweglösung“ der beschriebenen Art nicht
gesucht oder nicht gefunden worden.
Ich denke dabei z.B. an ein Problem, für dessen Lösung die Menschheit über 2000 Jahre gebraucht
hat, und das in der Struktur dem der 17 Kamele ähnelt bzw. gleicht: Das Problem der
„wohltemperierten Stimmung“ in der Musik. Seit der Antike kämpften Komponisten und Musiker mit
der Tatsache, dass bestimmte Töne und Tonarten dissonant und damit unbrauchbar waren, und
dass vor allem nicht von einer Tonart in eine andere moduliert werden konnte. Man stand
sozusagen vor einer naturgesetzlichen (physikalisch-akustischen) Schranke.
Das Problem wurde erst Ende des 17. Jahrhunderts von einem Deutschen gelöst, der radikal die
Aufgabe umdefinierte, an der man immer wieder gescheitert war. Erst seitdem können wir die Musik
in allen Tonarten und durch alle Tonarten fließend genießen (siehe Exkurs 1).
Bei einer Herausforderung der Gegenwart sehe ich eine ähnliche Situation: Der Klimawandel erfordert eine „Verkehrswende“ und diese die „Elektromobilität“. Den Strom sollen Batterien liefern, die bislang nur kurze Reichweiten bis zum nächsten Tanken erlauben. Stehen wir nicht auch hier vor naturgesetzlichen Grenzen der Chemie/Physik? Ich halte es für unmöglich, aus einer Batterie immer größere Strommengen zu erzeugen, ohne dass die Batterien immer größer und schwerer werden, was wiederum die ‚“Verkehrswende“ ad absurdum führen würde. Es ist deshalb beruhigend, dass auch andere Wege zur Elektromobilität (z.B. die Brennstoffzelle) verfolgt werden.
3. Exkurs 1: Die „wohltemperierte Stimmung“
3.1. Der Fehler des Pythagoras und seine Folgen
Das Thema „Stimmung“ oder auch „Temperatur“ in der Musiktheorie ist sehr kompliziert und mit
viel Mathematik verbunden. Ich kann es deshalb nur laienhaft beschreiben.
Eine der ersten Tonleitern des Abendlandes hat der Philosoph Pythagoras um 500 v. Chr. entwickelt. Sie beruht auf einfachen mathematischen Zahlenverhältnissen. Es heißt, Pythagoras wollte damit die musikalische Harmonie mit der als vollendet empfundenen Sphärenharmonik in Verbindung bringen. Er ging folgendermaßen vor: Er bestimmte eine Frequenz zum Grundton (C), verdoppelte diese Frequenz zur Oktave (C‘) durch Teilung einer Saite in der Mitte, halbierte diese Frequenz wieder zum G (Quinte), dessen Frequenz er wiederum verdoppelte zur nächsten Oktave, diese Frequenz wieder halbierte usw. Von den so entstandenen Tönen klangen die ersten harmonisch (konsonant), die letzten aber immer unharmonischer (dissonant). Der Grund dürfte gewesen sein: Pythagoras ging von einer durch die Oktave linear steigenden Frequenz aus, während in der akustischen Wirklichkeit mit steigender Tonhöhe die Frequenz immer schneller ansteigt. Es ist klar: gegen die Naturgesetze der Physik hatten die „einfachen Zahlenverhältnisse“ des Pythagoras keine Chance. Die Folge war ein „Tonrest“, um den der 12. Ton der Oktave die natürliche Frequenz überstieg: das sogenannte „pythagoräische Komma“.
Dieses führte dazu, dass nur wenige Tonarten gut klangen und deshalb auch nicht von einer Tonart
in eine andere gewechselt werden konnte.
Trotz dieser Schwächen wurde die „pythagoräische Skala“ 2000 Jahre lang in der abendländischen
Musik verwendet. Die Tonmeister versuchten jedoch über die Jahrhunderte hinweg das „pythagoräische Komma“ zu entschärfen, indem sie es in ihnen geeignet erscheinender Weise auf
die Töne der Oktave verteilten, vor allem mit dem Ziel, möglichst reine Terzen und Quinten als sehr
wichtige Intervalle zu erhalten. Sie begründeten damit neue musikalische Stimmungen: z.B. die
„reine Stimmung”, die „mitteltonige Stimmung”, die „ungleichschwebende Stimmung“. Die Ergebnisse all dieser Versuche waren jedoch unbefriedigend. Je mehr einzelne Töne verbessert wurden, desto dissonanter wurden andere Töne, bis hin zu der berüchtigten „Wolfsquinte“.
3.2. Die Lösung des Andreas Werckmeister
Erst um 1700 löste der Musiktheoretiker und Instrumentenbauer Andreas Werckmeister das Problem auf radikale Weise: durch die „gleichschwebende (wohltemperierte) Stimmung“. Er verteilte das „Komma“ gleichmäßig auf alle 12 Töne der Oktave, also auf jeden Ton 1/12 des Kommas, wodurch alle Töne leicht dissonant wurden. Und jetzt wage ich eine kühne Deutung seines Vorgehens. Er hatte erkannt, dass die Versuche seiner Vorgänger nicht zum Erfolg führen konnten, weil sie den einen Ton reiner, andere dafür unreiner machten: ein Nullsummenspiel! Deswegen entwickelte er eine ganz andere Strategie: Er minimierte die Dissonanzwirkung des Kommas durch die gleichmäßige Verteilung und setzte dabei auf die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Gehörs: darauf, dass die Menschen sich an die leichte Dissonanz gewöhnen, sie bald nicht mehr hören. Er sollte recht behalten. Das war der Durchbruch. Werckmeister hatte eine unlösbare Aufgabe in eine lösbare verwandelt.
3.3. Der Welterfolg Johann Sebastian Bachs
Johann Sebastian Bach war sehr interessiert an den Bemühungen seines Landsmannes und verhalf der neuen Stimmung unverzüglich zu weltweiter Verbreitung. Er schuf das „wohltemperierte Klavier“
in zwei Teilen mit jeweils 24 Präludien und Fugen und zeigte damit allen, dass man mit der
„wohltemperierten Stimmung“ in allen und durch alle Tonarten musizieren konnte. Ein Meilenstein
der Musikgeschichte.
Das ganze Thema wird in eindrucksvoller Weise von dem Amerikaner Robert Jourdain in seinem Buch „Das wohltemperierte Gehirn“ (Spektrum) dargestellt. Siehe auch Musik-Brockhaus und Ullstein-Musiklexikon unter den Stichworten „Stimmung“, „Temperatur“, „Komma“ sowie Wikipedia unter das „wohltemperierte Klavier“.
Es ist ein weiter Bogen von den 17 Kamelen zur „wohltemperierten Stimmung“. Beide Geschichten
verbindet jedoch ein Gedanke: Wer vor einer objektiv unlösbaren Aufgabe steht, sollte erst dann
aufgeben, wenn er erfolglos versucht hat, die Aufgabe durch Veränderung lösbar zu machen.
Manchmal gelingt das.
Exkurs 2: Die entmachtete Primzahl
4.1. Die mittelbare Teilbarkeit der Primzahl
Dem Vater ist bei seinem letzten Willen klar, dass seine 17 Kamele unter der Bedingung, „Kein Tier darf getötet werden“, unter seinen Söhnen nicht aufgeteilt werden können.
Er macht deshalb von Anfang an die Zahl 18 zum Ausgangspunkt seiner Idee: die nächste Zahl nach
der Primzahl 17, die Zahl 18, ist durch mehrere ganze Zahlen teilbar. Da der Vater nur 17 Tiere besitzt, muss die Herde um 1 geliehenes Kamel aufgestockt werden.
Für die Herde von 18 Tieren bildet der Vater nunmehr 18 Erbanteile zu je 1/18 als kleinste, nicht
mehr teilbare Einheiten (quasi „Erbteilsquanten“: 17 dieser Erbanteile (9/18, 6/18, 2/18) sind für seine Söhne, der letzte Erbanteil ist für den Verleiher des 18. Kamels bestimmt.
Der Vater führt dabei — bewusst oder unbewusst — das Prinzip der Quantenbildung ein, das für den
von ihm erdachten Mechanismus der Teilung wichtig ist: Indem er die Zahl 18 durch sich selbst teilt.
Erbanteile von 1/18 braucht der Vater, weil er einen solchen Erbanteil für den Verleiher des 18.
Kamels reservieren muss.
Es gibt also 2 Reihen:
- die reale Reihe der 18 Tiere und
- die abstrakte Reihe der 18 Erbanteile.
Der Vorteil der Söhne durch das 18. Kamel in der realen Reihe wird durch eine Kürzung ihres Anteils an der Herde von 18 Tieren um 1/18 auf 17/18 in der abstrakten Reihe der Erbanteile ausgeglichen: 18 x 17/18, das sind wieder die 17 Tiere des Vaters.
Die beiden Reihen der Kamele und der Erbanteile stehen also in einem inneren Zusammenhang:
- die Zahl der Erbanteile ist gleich der Zahl der Kamele,
- die Höhe der Erbanteile ist gleich 1 geteilt durch die Zahl der Kamele.
Also: 18 Kamele — 18 Erbanteile — 1 Erbanteil = 1/18.
Anders ausgedrückt: zu jedem der 18 Kamele gehört ein Erbanteil von 1/18.
Der Vater hätte im Übrigen auch seine 17 Tiere ganzzahlig teilen können: die Primzahl 17 ist durch sich selbst teilbar. Er hätte dann 17 Erbanteile bilden müssen:
9/17 + 6/17 + 2/17 = 17/17. Diese einfache Lösung wollte der Vater aber offenbar nicht: sie hätte seine Söhne nicht herausgefordert.
Es gibt also grundsätzlich 2 Wege, um die Wirkung der Primzahl zu umgehen:
- Die Aufstockung der Herde mit Ausgleich bei den Erbanteilen: 18 x 17/18 = 17.
2. Die Teilung der Primzahl durch sich selbst: 17:17.
Folgendes Zahlenbild im Vergleich ergibt sich:
Tiere | ||
17er Herde | 9+6+2 | =17 |
18er Herde | 9+6+2+1 | =18 |
Erbanteile | |||
17er Herde | 9/17 + 6/17 + 2/17 | =17/17 | |
18er Herde | 9/18 + 6/18 + 2/18 | + 1/18 | =18/18 |
– 1/18 | = 17/18 |
Bezogen auf die 17 Tiere des Vaters in der realen Reihe ist das Ergebnis beider Wege identisch: 9+6
+2 = 17. Das muss so sein: auf der Basis 17 wird das geliehene Kamel (+ 1) zurückgegeben (-1). Der
Weg der Teilung der Primzahl durch sich selbst führt zu Erbanteilen von 1/17, der Weg der
Aufstockung zu Erbanteilen von 1/18. Nur die letzteren lassen sich zu höheren Erbteilen (z.B. 1/2,
1/3, 1/9) zusammensetzen, die 1/17-Erbanteile nicht (Wirkung der Primzahl).
Um die Söhne herauszufordern, wählte der Vater also die kompliziertere Lösung über die 18 Kamele
in der Hoffnung, dass seine Söhne kraft eigener Idee die 17 Kamele auf 18 bringen würden: eine
Herausforderung, welche die Söhne nicht bestanden, und der erst der Derwisch gerecht wurde.
Bis zu dem Augenblick, als der Derwisch sein Kamel zu den 17 Kamelen des Vaters stellte, war die
Bedingung gleicher Zahl der Tiere und der Erbanteile, die Kongruenz beider Reihen, nicht erfüllt: 17
Kamelen standen 18 Erbanteile gegenüber: es wirkte die Primzahl. Erst mit dem Kamel des Derwischs gehörte zu jedem der nun 18 Kamele ein Erbteil von 1/18 (Kongruenz).
Die Primzahl entfaltet ihre blockierende Wirkung nur, wenn sie ganzzahlig geteilt werden soll. Und
das geschieht hier gerade nicht: geteilt wird die Zahl 18. Alle Primzahlen unter 18 sind damit wirkungslos.
Es eröffnet sich neben der nicht möglichen unmittelbaren Teilung der Primzahl, aber das Feld der möglichen mittelbaren Teilung der Primzahl über eine größere Nicht-Primzahl: eine völlig neue Sicht der Primzahl!
Diesem inneren Bild der 18 Erbanteile, von denen 17 zu Erbteilen der Söhne zusammengefasst
werden, entspricht das äußere Geschehen: statt 17 Tiere auf die 3 Söhne werden 18 Tiere auf die
Söhne und den Verleiher verteilt.
Fazit:
Die mathematisch unlösbare Aufgabe der ganzzahligen Teilung einer Primzahl (hier der 17) kann in
eine lösbare Aufgabe verwandelt und die Primzahl so umgangen werden. Das Prinzip, das der Vater in der Parabel der 17 Kamele erdacht hat, kann meines Erachtens auf alle Primzahlen angewendet werden.
Abschließend die mathematische Kurzfassung der Parabel:
17 | = 18 x 17/18 | = 9 + 6 + 2 = 17 |
vor | bei | nach der Teilung |
Kehren wir zurück zu der Ausgangsfrage des Rätsels: Was ist geschehen?
Ein Wunder? Gewiss nicht! Alles, was geschehen ist, ist rational zu erklären.
Das habe ich in drei Argumentationen aus drei Blickwinkeln getan:
1. Die Primzahl 17 blockiert nur dann, wenn sie ganzzahlig geteilt werden soll. Hier jedoch wird die
Zahl 18 geteilt.
2. Die unlösbare Aufgabe der ganzzahligen Teilung (außer durch sich selbst) von 17 wird in eine lösbare Aufgabe verwandelt: Teilung von 18 mit Ausgleich bei den Erbanteilen.
3. 18 Kamelen stehen 18 Erbanteile als kleinste, unteilbare Einheiten gegenüber: 17 werden zu
Erbteilen der Söhne zusammengefasst. Der 18. Erbanteil bleibt für den Verleiher des 18. Kamels.
Zuweilen höre ich: „Das Rätsel der 17 Kamele ist unlösbar, geht mathematisch nicht“.
Dem widerspreche ich mit Nachdruck und mit den dargestellten Argumenten.
Aber selbst, wenn “geht mathematisch nicht“ zutreffen würde, wäre das Ergebnis denkwürdig und die Idee des Vaters genial: eine Lösung, die “mathematisch nicht geht“, aber von allen Beteiligten freudig angenommen wird.
4.2. Der Mechanismus der Teilung
a) Der einfachste Weg der Erbteilung der 17 Kamele ist die Teilung der Primzahl 17 durch sich selbst
und die Verteilung von 17 Siebzehnteln des Vermögens unter den drei Söhnen. Diese einfache
Lösung will der Vater aber nicht. Er will seine Söhne herausfordern: Diese sollen den Plan erkennen
und realisieren, den er gedanklich entworfen hat.
Der Vater muss sich deshalb mit der Primzahl „17“ auseinandersetzen, die eine ganzzahlige Teilung
(außer durch eins und sich selbst) nicht zulässt.
b) Der Königsweg für den Vater ist die „18“, die durch 2, 3, 6, 9 teilbar ist: Dazu muss er aus seiner Herde von 17 eine Herde von 18 Tieren machen, wozu „Vorkehrungen“ im Rahmen seines letzten Willens notwendig sind:
- Aufstockung seiner Herde von 17 auf 18 Tiere durch ein geliehenes Tier unmittelbar vor der Erbteilung: Auf diese ldee sollen seine Söhne kommen;
- Absicherung, dass der Verleiher sein Kamel zurückbekommt, und dass die Söhne durch das 18. Kamel keinen Vorteil haben. Dazu müssen vom Vater 18 „Erbanteile“ von 1/18 gebildet werden (17 für die Söhne, 1 für den Verleiher): Dieses 1/18 muss der Vater zurückbehalten. Er kann also nur 17/18 der 18er Herde mit seinem Testament unter den Söhnen verteilen.
c) Dieses Vorgehen wäre einfach, wenn der Vater damit seinen Söhnen nicht seinen Plan verraten
würde; er muss also seinen Plan vor seinen Söhnen verstecken/verschlüsseln: Dazu soll die Zahl
„18“ nirgendwo in seinem Testament erscheinen. Der Vater sieht hierzu 3 Ansatzpunkte:
- das zu entleihende 18. Kamel wird verschwiegen,
- das zurückzubehaltende 1/18 seines Vermögens ebenfalls,
- in den 3 Erbquoten darf keine „18“ erscheinen.
Mit diesen Vorsorgen stünden die Söhne bei der Erbteilung wirklich nur vor 17 Kamelen (und 17
Erbanteilen), die als Primzahl nicht teilbar sind. Würden sie erkennen, dass die 17 Erbanteile nur
17/18 des Vermögens sind, wären sie auf der Spur der Lösung. Sie erkennen es aber nicht.
d) Allerdings beschränken diese Verschlüsselungen erheblich die Gestaltungsmöglichkeiten des
Vaters bei den Erbquoten: denn die Erbquoten der Söhne (17/18) müssen Teilungen von 18 sein. Die
Möglichkeiten hierfür sind allerdings sehr beschränkt. Aus meiner Sicht kommen nur in Betracht:
- 9/18 + 6/18 + 2/18 = 1/2 + 1/3 + 1/9 : Die Erbteile, die der Vater bestimmt hat.
e) Nach dem Versagen der Söhne vollzieht der Derwisch die Erbteilung entsprechend dem von ihm durchschauten Plan des Vaters nach der Teilungsgleichung:
9/18 + 6/18 + 2/18 + 1/18 = 1/2 + 1/3 + 1/9 + 1/18 = 1
Mit dem ersten Teilungsschritt zwischen 17 und 18 erhält der Derwisch, der sicher von rechts nach links las, sein Kamel zurück. Die Söhne erhalten die verbleibenden 17/18 nach den Erbquoten (9 bzw. 6 bzw. 2 Tiere).
f) Der Augenblick, in dem der Derwisch wieder sein Kamel besteigt und die Söhne — jeder mit
seinem Anteil — sich auf den Heimweg machen, ist denkwürdig in zweifacher Hinsicht:
- Das Problem der Teilung der 17 Kamele nach den Vorgaben des Vaters ist gelöst „Kein Tier musste getötet werden“.
- Die Primzahl 17 ist ganzzahlig geteilt.
Dieses Ergebnis dürfte für die meisten Menschen eine Neuigkeit sein. Denn bislang galt: die
Primzahl ist ganzzahlig nicht teilbar, außer durch 1 und sich selbst. Die „Vorkehrungen“ des Vaters haben also ein Wunder bewirkt?
Vielleicht hat man aber auch nur die Kraft der Primzahl überschätzt: Man hat etwa vernachlässigt, dass die Primzahl durch sich selbst teilbar ist und dadurch – in quantistischer Betrachtung – „Primzahlquanten“ frei werden können, die sich mit den „Quanten“ von Nichtprimzahlen verbinden können (17 +1= 18). Der Versuch, quantistische Zusammenhänge (kleinste Einheiten) zu betrachten, ist bei der Lösung des Rätsels hilfreich.
Mir scheint deshalb folgendes neues Bild des Wesens der Primzahl notwendig: Die Primzahl
vereinigt in sich die Spannung zwischen dem Teil und dem Ganzen. Soll sie selbst, also das Ganze, geteilt werden, so ist sie unteilbar; soll sie als Teil eines größeren Ganzen (z.B. 18) geteilt werden, so ist sie wie jede Nicht-Primzahl teilbar.
g) Der Vater schafft mit diesen ,,Vorkehrungen“, nach denen die Teilung erfolgt, ein System — einen Mechanismus — der die einzelnen Mengen in Beziehung setzt. Die ,,Primzahlmenge“ („17″: die Herde des Vaters) wird um die ,,Aufstockungsmenge“ („1″: das geliehene Kamel) erhöht zur
„Gesamtmenge“ („18“), die ganzzahlig teilbar ist. Nach erfolgter Teilung wird die 18er Herde wieder zu drei Teilherden: diese aber geteilt auf der Basis 18, eine Teilung, die sozusagen ,,mitgenommen“ wird.
Skeptiker könnten fragen: Ist so etwas mathematisch möglich? Ich denke: Ja. Die Teilung ist gewollt, abgeschlossen und endgültig, die Fakten, die die Beteiligten willentlich gesetzt haben, kann die Mathematik nicht ignorieren, auch nicht wenn die Menschen einzelne der Fakten wieder aufheben.
Im Übrigen: Ist es vorstellbar, dass eine Rechnung, die ein Problem löst, überhaupt mathematisch unwirksam sein soll?
Ich denke, dass diese Ausführungen über den vom Vater erdachten Mechanismus allgemeingültig sind und dass deshalb der Mechanismus für alle Primzahlen Geltung hat. Jede Primzahl ist deshalb mittelbar über eine größere Nicht-Primzahl ganzzahlig teilbar.
h) Wie kann man sich den Vorgang der Teilung zeitlich vorstellen? Die Transformation der Herde von 17 auf 18, die Teilung auf Basis 18 und die Teilung der Herde kann real ablaufen, wie in der Parabel beschrieben (etwa als Theaterstück für Nachdenkliche). Sie kann aber auch virtuell — als Gedankenexperiment — rein mathematisch erfolgen: Die Mathematik kennt — wie man sagt — keine Zeitdimension: Sie ist zeitlos (wenn sie als Sprache auch zeitliche Abläufe beschreiben kann). Sobald die 18er Herde steht, wird die Teilung in einer „logischen Sekunde“ vollzogen. Es erscheinen die Teilherden von 9 und 6 und 2 Tieren.
Es ist so, als wenn der Mensch einen Schalter von 17 auf 18 umlegt für die „logische Sekunde“ der Teilung, um dann wieder zurückzuschalten. Man kann auch an die Funktion eines Adapters an
verschiedene Stromspannungen denken.
i) Mit dem Zurückbehalten von 1/18 der Erbschaft sorgt der Vater für das wirtschaftliche
Gleichgewicht bei der Teilung und zeigt kaufmännisches Denken: das 18. Kamel (Aktivseite seiner
Herdenbilanz), das die Söhne sich borgen sollen, wird auf der Passivseite durch das
zurückbehaltene 1/18 abgesichert und damit bei Teilung die Bilanz wieder ins Gleichgewicht
gebracht: dies tritt erst ein, als der Derwisch sein Kamel neben die 17 Kamele des Vaters stellt.
j) Der Mechanismus des Vaters erlaubt nicht nur, die der Primzahl (17) folgende Nicht-Primzahl (18) zum Zweck der Teilung anzusteuern: Auch weitere Nicht-Primzahlen mit ihren weiteren
Teilungsmöglichkeiten können genutzt werden. Im Fall unserer Parabel z.B. die „20“ (durch 2, 4, 5, 10 teilbar), unter entsprechender Erhöhung der „Aufstockungsmenge“. Die Teilungsgleichung der 17 Kamele würde entsprechend lauten: 17=20×17/20=17
k) Für die Betrachtung der durch die mittelbare Teilung der Primzahl entstehenden
Gestaltungsmöglichkeiten ist der „Verschlüsselungsaspekt“ irrelevant. Auf der Basis von 1/18-
Erbanteilen ohne die Verschlüsselung gibt es wesentlich mehr Teilungsmöglichkeiten.
l) Die Parabel der „17 Kamele“ ist ein einzigartiges Rätsel: Sie besteht aus zwei
Gedankenkomplexen:
- der erste Teil ist das, was auf der Bühne der Erbteilung passiert: Es wird bewiesen, dass die
Primzahl 17 — entgegen allgemeiner Meinung — ganzzahlig teilbar ist. Beweis durch Augenschein, den zu widerlegen schwerfallen dürfte. - im zweiten Teil geht es nicht mehr um das ,,ob“, sondern nur noch um das ,,wie“: Wie kommt diese unerwartete Lösung zustande? Auf diese Frage Antworten zu geben, habe ich mich bemüht.
Verwunderlich ist, dass der erste Teil der Parabel nie gewürdigt wurde: Verändert er doch total den Blick auf die Macht der Primzahl. Es gibt in Wahrheit keine unteilbare Primzahl: denn jede Primzahl ist zwar unmittelbar unteilbar, wohl aber indirekt mittelbar teilbar über eine größere Nicht-Primzahl. Die 17 Kamele beweisen es.
m) So entsteht nach Beantwortung von Fragen eine neue Frage: Wie kann es sein, dass das Wesen der Primzahlen seit eh und je irgendwie verkannt worden ist ?
- Könnte es sein, dass der Schöpfer der Parabel der 17 Kamele (es könnte der arabische Mathematiker Al Ghwarizmi sein), schon vor über 1.000 Jahren diesen Mangel erkannt hat und mit der Parabel seine Zeitgenossen darauf aufmerksam machen wollte? Allerdings ohne Erfolg.
- Könnte es sein, dass das Rätsel auch später zu keiner Klärung führen konnte, weil es sehr komplex und — soweit ich das überschauen kann — nie wirklich gelöst worden ist?
Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass zur Lösung des Rätsels wichtige Fakten als Teil der
Lösung ergänzt werden müssen: Was geht im Kopf des Vaters vor, was ist seine Strategie (die der kluge Derwisch sofort durchschaut)? Wer nicht den Angelpunkt (das zurückbehaltene 1/18)
verstanden hat, kann ohnehin keinen Erfolg haben. Ebenso wenig diejenigen, die beginnen, mit den 3 Erbquoten zu rechnen, die ebenfalls das 1/18 ausklammern.
n) Ich bin mathematischer Normalverbraucher – also Laie – und überschaue nicht den Stand der
mathematischen Wissenschaft: Ob nicht irgendwo Forschungsergebnisse über die Teilbarkeit von Primzahlen vorliegen, die über die altbekannte Definition hinausgehen: „Die Primzahl ist durch keine Zahl ganzzahlig teilbar, außer durch 1 und sich selbst.“
4.3. Versuch einer „quantistischen“ Betrachtung
Die erfolgreiche Realisierung der Idee des Vaters in der Parabel der 17 Kamele beweist, dass eine
Primzahl umgangen werden kann. Trotzdem bleibt an dem Geschehen etwas Rätselhaftes.
Ich möchte das Rätsel weiter durchdringen und will dazu eine „quantistische“ Betrachtung des
Vorgangs versuchen.
Man kann sich jede Zahl als einen Verband von ebenso vielen Bausteinen dieser Zahl vorstellen: Sie
sind die kleinsten Einheiten (quasi: „Quanten“), aus denen die Zahl besteht.
Jede Nicht-Primzahl kann durch eine oder mehrere kleinere Zahlen ganzzahlig geteilt werden.
Geschieht dies, so erlischt die ursprüngliche Zahl, und ihre Bausteine werden frei. Die Gruppen von
Bausteinen, die aus der Teilung hervorgegangen sind, beginnen ein neues Leben, indem sie sich mit
anderen Bausteinen verbinden oder sich weiterteilen.
Bei der Primzahl ist das anders. Ihre Bausteine können mangels Teilungsmöglichkeiten den Verband
nicht verlassen, sie sind in ihm gefangen. Oder vielleicht doch nicht?
In der Tat: Eine Zahl mit ihren Bausteinen kann — außer durch Teilung — ihr Ende auch durch ihren
Zerfall finden, den totalen Zerfall in alle ihre Bausteine: das geschieht, wenn eine Zahl durch sich
selbst geteilt wird. Das Ergebnis ist 1 und jeder Baustein hat den Wert von „1 geteilt durch die
Zahl“.
Und das gilt auch für Primzahlen, was leicht übersehen wird. Genau dadurch wird aber die Primzahl
umgangen. Mit der Teilung durch 17 werden aus der Herde des Vaters 17 Siebzehntel, die frei
werden: durch die Teilung der Primzahl 17 durch sich selbst.
Nun ist es allerdings so, dass diese freiwerdenden Siebzehntel, weil die Primzahl immer noch in
ihrem Nenner steht, nicht zu höherwertigen Verbindungen zusammengefügt werden können: z.B. zu
den Erbquoten, die der Vater bestimmt hat (1/2, 1/3, 1/9). Da hilft die Idee des Vaters weiter, die Herde um 1 geliehenes Kamel aufzustocken. Damit entsteht eine Herde von 18 Tieren, bestehend
aus 18 kleinsten Bausteinen. „Quant“ des Rätsels ist also 1/18. Die 18/18 lassen sich dann zu den
von dem Vater vorgegebenen Erbquoten zusammenfassen: zu 1/2 = 9/18 + 1/3 = 6/18 + 1/9 = 2/18,
insges. 17/18. Bleibt 1/18 übrig für das Kamel des Verleihers.
Ist damit der Zauber der Umgehung der Primzahl „entzaubert“? Ich meine: ja! Die „quantistische“
Betrachtung zeigt, dass hier kein Zauber waltet, sondern ein menschlicher Denkfehler: die Kraft der
„teilungsresistenten“ Primzahl wird überschätzt, weil übersehen wird, dass auch die Primzahl — wie
jede andere Zahl — durch sich selbst geteilt werden kann.
Was bleibt dann von der Macht der Primzahl? Fast nichts!
- Auf den Granit der Primzahl stößt nur derjenige, der versucht, die Primzahl direkt zu teilen.
- Wer dagegen vorzieht, die Primzahl durch sich selbst zu teilen, hat kein Teilungsproblem. Er erhält allerdings nur „Primzahl-Quanten“ (Bausteine), die die Bildung höherer Anteile (z.B. 1/2, 1/3, 1/6, 1/9) nicht zulassen.
- Am besten fährt derjenige, der nach der Idee des Vaters vorgeht, einschließlich der nötigen Vorkehrungen (Aufstockung mit Ausgleich bei den Erbteilen). Er genießt die komfortabelste Situation, die denkbar ist, weil der Vater die Quanten des Problems gleich mitliefert. Da die konkrete Reihe der Tiere mit der abstrakten Reihe der Erbanteile (Bausteine, Quanten) kongruent ist, gehört in der Parabel zu jedem Kamel ein solcher Erbanteil. Was von oben her in seine kleinsten Bausteine zerlegt worden ist, lässt sich von unten her zu allen gewünschten Verbindungen wieder zusammenfügen. Ein TeiIungsproblem kann überhaupt nicht entstehen.
Abschließend: der „theaterreife“ Vollzug der Teilung in der Parabel ist wunderbar, aber für die
Lösung entbehrlich: es reicht die Durchführung eines entsprechenden Gedankenexperiments.
4.4. „Geht mathematisch nicht“ versus „und es geht doch“
Liebe Leserinnen und Leser, vielen Dank für Ihr Interesse an einer Analyse der „17 Kamele“.
Sie kommen vermutlich — wie viele andere — zu dem Ergebnis: „es geht mathematisch nicht”.
Dem widerspreche ich: „und es geht doch“.
a) In der Parabel geschieht etwas Rätselhaftes. Die Frage lautet: Was ist geschehen? „Es geht mathematisch nicht“ ist dafür keine Antwort.
b) Diese Position geht von einem falschen Ausgangspunkt aus: sie hält die vom Vater bestimmten
Erbquoten (1/2, 1/3, 1/9) für „vorgegeben“. Das sind sie aber nicht. Sie sind nicht frei festgelegt,
sondern die „zwangsläufige Folge“ einer Strategie, die der Vater aus seiner Motivlage heraus
verfolgen musste.
c) Diese Motivlage muss geklärt werden. Zunächst aber: das Ausgehen von der falschen Ausgangslage und das Rechnen mit den „vorgegebenen“ Erbquoten führt unweigerlich ins Chaos, „zum geht mathematisch nicht“.
d) Zur Motivlage des Vaters: er war gewiss kein Dummkopf, der sein Vermögen seinen Söhnen unter
einer unerfüllbaren Bedingung hinterlässt und dann noch vergisst, das letzte 1/18 zu verteilen. Das
wäre lebensfremd. Er war bestimmt ein verständiger Mensch, der rational handelt.
e) Deshalb dürfte ihm klar gewesen sein, dass seine Tiere trotz der Primzahl gar nicht in Gefahr
waren: er hätte die Primzahl 17 durch sich selbst teilen können und die entstehenden 17/17 auf seine
Söhne verteilen können (9/17 + 6/17 + 2/17 = 17/17). Er hätte die Tiere auch „real“ (ohne Erbquoten) teilen können.
f) Das einzige Motiv des Vaters dürfte gewesen sein, seine Söhne herauszufordern: „Was Du ererbt
von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“. Dazu taugten die einfachen Wege nicht,
deshalb wollte der Vater sie nicht.
g) Er musste sich deshalb mit der Primzahl 17 auseinandersetzen. Wobei ihm klar war, dass 18
Kamele sein Problem lösen würden. Deshalb ersann er einen Weg über die mehrfach teilbare Zahl
18: eine geniale Idee.
h) Dazu musste der Vater Vorkehrungen treffen: Aufstockung der Herde von 17 auf 18 durch ein
geliehenes Kamel und Ergänzung der 17 Erbanteile um einen „Rückgabeanteil“ für den Verleiher des 18. Kamels. Aus seiner eigenen Herde von 17/17 wurde so eine gemeinsame Herde von 18/18.
i) Und nun kommt der Angelpunkt des Rätsels. Der Vater musste 1/18 der gemeinsamen Herde dem
Verleiher zurückgeben, und war damit auf Achtzehntel (statt vorher Siebzehntel) festgelegt. Dies
ist der Ausgangspunkt und nicht die „vorgegebenen“ Erbquoten des Vaters.
j) Nach der Rückgabe des geliehenen 18. Kamels verblieben für die Söhne 17/18 der gemeinsamen
Herde — das waren die 17 Tiere des Vaters.
k) Bei der Festlegung der Erbquoten für die Söhne aus den 17/18 musste der Vater darauf achten,
dass der Zähler der Erbquoten eine Teilung von 18 ist. Hierfür kommen nur die „vorgegebenen“
Erbquoten von 1/2, 1/3, 1/9 in Betracht.
l) Nunmehr musste der Vater seine Strategie vor den Söhnen verstecken/verschlüsseln. Die
unverdächtigen Erbteile 1/2, 1/3, 1/9 waren ein erster Schritt. Natürlich verschwieg er auch das
zurückbehaltene 1/18. Wer dies erkannte, hatte allerdings den Schlüssel zur Strategie des Vaters.
Schließlich sagte er auch nichts zur Notwendigkeit des 18. Kamels. Nicht die drei Söhne, sondern
erst der Derwisch erkannte die Idee des Vaters.
m) Das erklärungsbedürftige Geschehen bei der Teilung der 17 Kamele — ohne dass ein Tier getötet
würde — beweist durch Augenschein, dass das Rätsel lösbar ist. Die Frage „Was ist geschehen“ bezieht sich auf die einzelnen Schritte der Lösung.
Wenn Sie behaupten: „geht mathematisch nicht“, so kann sich das nur auf Ihren Lösungsweg beziehen, da die Rätsellösung — wie gesagt — mathematisch geht. Und der Lösungsweg geht in der Tat mathematisch nicht: 17 Kamele auf 18 Anteile zu verteilen, geht wirklich nicht. Da Ihr Lösungsansatz versagt, müssen Sie eben einen anderen suchen.
Die Analyse der ‚verschlüsselten‘ Strategie des Vaters jedenfalls ist mathematisch möglich, führt zu
der Lösung des Rätsels und erklärt die einzelnen Schritte. Vielleicht finden Sie aber auch einen
anderen Weg.
n) Das Wichtigste an dem Rätsel der 17 Kamele ist allerdings etwas anderes: ein „Kollateral -Gewinn“. Sozusagen im Vorübergehen hat der Vater bewiesen: eine Primzahl kann umgangen
werden, und was dafür nötig ist, Und sein Lösungsweg ist meines Erachtens so beschaffen, dass er
für jede Primzahl gilt. Die tiefste Erkenntnis aus dem Rätsel: es gibt keine Primzahl, die nicht teilbar
wäre, und zwar mittelbar über eine Nicht-Primzahl.
o) Diese lange Reihe von Gedanken erklärt das Geschehen in der Parabel der 17 Kamele, vermittelt
eine neue Erkenntnis über die mittelbare Teilbarkeit von Primzahlen und wird der Figur des Vaters
gerecht.
4.5. Was bleibt von der Macht der Primzahl?
Nach Erörterung der vielen Teilungsmöglichkeiten fragt man sich: was bleibt von der Macht der Primzahl?
Es bleibt, was die herkömmliche Definition der Primzahl sagt: „durch keine kleinere Zahl ganzzahlig
teilbar (außer durch 1 und sich selbst)“; allerdings mit einer Ausnahme und einer Einschränkung.
a) Die Ausnahme steht zwar in der Definition, ist aber im allgemeinen Bewusstsein irgendwie verblasst / verloren gegangen; die Teilung der Primzahl durch sich selbst. Sie eröffnet ein weites
Feld von Teilungsmöglichkeiten und ist der einfachste Teilungsweg (der Vater in der Parabel verwarf
ihn nur, weil er damit seine Söhne nicht hätte herausfordern können).
b) Die Einschränkung betrifft die neu entdeckte Möglichkeit der mittelbaren Teilung von Primzahlen. Die ganzzahlige Teilung ist nur bei der unmittelbaren Teilung der Primzahl unmöglich, bei der mittelbaren Teilung über eine größere Nicht-Primzahl ist sie wie bei jeder anderen Zahl möglich. Das beweist die Lösung des Rätsels der 17 Kamele: es ist genau das, was auf der Bühne der Erbteilung durch den Derwisch realisiert wird (der Vater hat diesen Weg für die Erbteilung gewählt).
Die Definition der Primzahl muss an diese Erkenntnisse angepasst werden:
- In die bisherige Definition ist das Wort „unmittelbar“ einzufügen. „Die Primzahl ist UNMITTELBAR durch keine kleinere Zahl ganzzahlig teilbar (außer durch 1 und sich selbst)“.
- Dem ist ein zweiter Satz anzufügen: „Sie ist mittelbar über größere Nicht-Primzahlen teilbar“. Den Weg beschreibt der „Teilungsmechanismus“, den der Vater erdacht hat.
Mit Blick auf die diskutierten Teilungsmöglichkeiten bleibt festzustellen: Von der Macht der Primzahl verbleibt fast nichts.
4.6. Wie die 17 Kamele ihre Rettung in höchster Not erlebten…
…und das 17. Kamel, Anführer der Herde des Vaters, sagte zu dem 18. Kamel (dem des Derwischs):
„Es zerreißt mich. Wie sollen wir die Erbteilung überleben? Ich sehe keinen Ausweg.“
Das 18. Kamel erwiderte nachdenklich und vorsichtig: „Es könnte doch einen Ausweg geben. Ich bin viel mit meinem Herrn in der Welt herumgekommen und habe viel erlebt. Wir machen einfach eine kleine mathematische Revolution: die könnte helfen.“
Das 17. Kamel: „Wie soll das gehen? Ich verstehe nicht!“
Das 18. Kamel: „Ich habe da eine Idee. Vor Jahren habe ich in einem alten Buch gelesen, was ein Meister der Mathematik aus uralten Zeiten über die Macht der Primzahlen — ihr wisst: die man nicht ganzzahlig teilen kann, außer durch 1 und sich selbst — gesagt hat: sie seien mächtig, aber man könne ihre Macht brechen: „wenn man nur wolle.“
Und das 18. Kamel fuhr fort: „Plötzlich wurden die Worte des Meisters für mich immer klarer, und ich verstand: Jede Primzahl kann ganzzahlig geteilt werden: natürlich nicht unmittelbar (wehe!), wohl aber mittelbar über eine Nicht-Primzahl.“
Verwundert fragte das 17. Kamel: „Und das soll eine mathematische Revolution sein?“
Das 18. Kamel: „Und was für eine! Mit dem geringsten Aufwand, den man sich vorstellen kann: ich muss mich nur neben Euch stellen! Und mit dem größten Gewinn, der denkbar ist: die Primzahl ist bezwungen! Sagen wir auf „kamelisch“: „geknackt“. Denk‘ mal darüber nach!“
Und das 17. Kamel dachte lange nach. Es blieb nicht viel Zeit mehr. Dann verkündete es: „so wird es gemacht“.
Und so geschah es dann: bei der Erbteilung fügte sich plötzlich alles zum Besten, so wie es der Vater bestimmt hatte: der erste Sohn bekam 9, der zweite Sohn 6, der dritte Sohn 2 Kamele. Das 18. Kamel blieb übrig und setzte mit seinem Herrn seinen Weg fort.
Die 17 Kamele sind möglicherweise der Phantasie des großen arabischen Mathematikers Al-Chwarizmi — tätig im 9. Jahrhundert in Bagdad — entsprungen.
Sie überlebten die Erbteilung, und sie leben heute noch, nach über 1000 Jahren, und beschäftigen die Menschen. Das 18. Kamel allerdings: es ist verschwunden. Für immer? Vielleicht taucht es eines Tages wieder auf?
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